Sollten weltwärts-Freiwillige in ein Kinderheim?




Prachodana ist eine NGO, die sich überwiegend für Kinderrechte einsetzt. Wir leben in einem Kinderheim und auch wenn ich das gerne dementiere, besteht der Großteil unserer Tätigkeiten aus Arbeit mit Kindern. Volleyball spielen, Aktionen planen, Unterricht geben. Man lebt zusammen und es entsteht zwangsläufig eine emotionale Bindung.
Deshalb ist es durchaus notwendig, die Frage zu stellen, ob weltwärts-Freiwillige überhaupt in ein Kinderheim gehören.

Dabei ist die Beantwortung von zwei Fragen zentral:

1. Was macht das mit den Kindern?

Vor uns waren zwei Jahre lang keine Lerndienstler hier. Dennoch gibt es bei bestimmten Einsatzplätzen einen klaren Rhythmus. Der Freiwillige taucht auf, baut (zwangsläufig) eine emotionale Bindung zu den Kindern auf und bricht diese Verbindung dann wieder.
Warum wir weggehen müssen und warum wir nicht so schnell wiederkommen können, ist für viele Kinder (und übrigens auch Angestellte) schwer verständlich. Die Sprachbarriere erschwert das zusätzlich.
Für ein Kind ist es nicht gut, eine Bezugsperson zu verlieren. Ich möchte das aber relativieren. Im Gegensatz zu vielen kommerziellen sogenannten Freiwilligendiensten ist die Frequenz der Freiwilligenwechsel hier recht gering. Allein dass Kinder sich noch über deine Anwesenheit freuen und Bindungen zu dir eingehen wollen, ist vielleicht kein gutes, aber zumindest auch kein schlechtes Zeichen. Außerdem wechseln die Mitarbeiter genauso schnell. Wir haben in unserer Zeit zwei Lehrer überlebt, eine dritte Lehrerin verlässt den Arbeitsplatz zeitgleich mit uns, weil sie heiratet.
Und man muss die Frage abwägen, ob es besser ist, wenn das Kind eine Bezugsperson hat, die nach acht Monaten verschwindet, oder einfach gar keine.
Die Freiwilligen nehmen sind keine großen Geschwister, aber haben trotzdem eine andere Position, als ein Lehrer. Sie bringen oft Freizeitmöglichkeiten, Beschäftigung und vor allem Aufmerksamkeit mit, die Mitarbeiter oft nicht leisten können, weil sie unzählige andere Aufgaben haben.
Das tut einem Kind, das unter 50 anderen aufwächst, wahnsinnig gut.

2. Entspricht es der Idee von weltwärts?

Weltwärts hat nicht den Anspruch, Freizeitgestalt durch die Welt zu schicken. Es geht um kulturellen Austausch , Persönlichkeitsentwicklung und darum, entwicklungspolitische (Zusammen)Arbeit kennenzulernen.
Die Persönlichkeitsentwicklung kann man gar nicht umgehen. Monatelang in einem kulturell ganz anderem Land zu leben, ohne viele westliche Einflüsse, das prägt jeden. Irgendwie.
Kultureller Austausch wird durch ein Kinderheim gefördert. Wir leben mit fast 60 Indern zusammen. Man bekommt nicht nur mit, wie jeweils gearbeitet wird (wie das in einem klassischen Büro der Fall ist) sondern lernt auch die Gewohnheiten kennen und Details des alltäglichen Lebens, die sonst verborgen blieben. Beispielsweise, wie man sich die Zähne putzt. (Ja, auch das ist anders.)
Die Arbeit in einem Kinderheim kann aber dem Ziel des Kennenlernens der entwicklungspolitischen Arbeit im Weg stehen. Wenn Kinder da sind, kann man sich immer beschäftigen. Es gibt vielleicht kein großes Büro, oder auch gar nicht den Anspruch, dass die Freiwilligen Aufgaben übernehmen, die nichts mit den Kindern zu tun haben.
Es kann schnell passieren, dass ein Freiwilliger acht Monate Kinder betreut, nach Deutschland zurückkehrt und quasi nichts über die Arbeit einer NGO gelernt hat. 


Das Thema kann man noch viel größer aufblasen. Das spare ich mir jetzt aber mal und ziehe ein schnelles Fazit:
Als weltwärts-Freiwilliger in einem Kinderheim tätig zu sein, hat viele positive Effekte im Sinne des Programmes und einige für die beteiligten Kinder. Nach allem, was ich über das Programm und beteiligten Organisationen (an dieser Stelle ausdrücklich nicht nur auf mit der KKS in Verbindung stehenden bezogen) gelernt habe, kann man aber auch total am Ziel vorbeischießen.



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