Ich vermisse euch




Vor gut einem Jahr habe ich Freunde und Bekannte darum gebeten, eine Sprachnachricht über mich aufzunehmen. Was für ein Typ ich so bin, mit Stärken und Schwächen, was wir gemeinsam erlebt haben und so ein Zeugs.
Diese Memos habe ich dann zu einer dreiminütigen Audio zusammengeschnitten, die ich beim Auswahlseminar der KKS als Selbstvorstellung verwendet habe.

Gerade eben habe ich den wunderschönen Fehler gemacht, mich vor meiner Arbeit zu drücken und habe all diese Audios angehört.

Es wäre falsch zu schreiben, dass mir dabei eine Erkenntnis kam, denn bewusst war es mir schon lange. Aber so intensiv war es vorher noch nie.

All diese Menschen zu hören, ihre Stimmen die loben, kritisieren und lachen.
Ich habe euch gehört, das habe ich seit 106 Tagen nicht und es hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen.

Meine Fresse, ich hätte nicht gedacht, dass ich euch so vermisse.

Es ist unglaublich traurig und wahnsinnig schön und deswegen überfordert es mich.
Wie viel mir mein Leben in Deutschland bedeutet, wie viel ihr mir bedeutet, dass war mir immer klar, aber es war irgendwie eine Selbstverständlichkeit.

Manchmal sehe ich etwas, was ich jeden Tag sehe. Etwas ganz banales wie einen Stift oder einen Schrank oder ein Staubkorn und ich betrachte es ganz intensiv und habe irgendwie das Gefühl, diesen Gegenstand das erste Mal zu sehen, nicht mehr in mir drin zu sein sondern eine andere Perspektive zu haben, in der die Dinge, die sich so gnadenlos in meinem Alltag verfangen haben, erst in ihrer ganzen Bedeutung gestochen scharf erscheinen.

Ich weiß nicht, ob man versteht, was ich meine.
Falls nein, betrachtet es als Text der Romantik. Es geht mehr ums Gefühl, als um einen konkreten Inhalt.

Nicht zu merken, aber klar vor mir zu sehen, wie glücklich ich mit meinen Hobbies, meinem Leben und den Menschen darin bin, gehört mit Sicherheit zu den prägendsten Erfahrungen meines Lerndienstes.

Und dafür nehme ich jedes fade Essen, jeden Moskitostich und jeden Krankenhausaufenthalt in Kauf.

Kommentare

  1. Mensch Oscar, so ähnlich geht es mir auch. Seit Du in Indien bist, denk ich viel mehr an Dich und hänge oft an Eurem Blog. Papa

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  2. Ich glaube, das nennt man Heimweh, oder? 106 Tage sind ja auch eine verdammt lange Zeit, weit entfernt von zu Hause und den Freunden, der Familie, in einer vollkommen anderen Kultur... Erinnere Dich an Deinen Abflug in Frankfurt: Ich bewunderte Deinen Mut, weltwärts zu gehen... und die Sentimentalität gehört eben einfach zu einem solchen Abenteuer dazu. Und nun bekommt das Wort von der Entsendungsfeier in Bensheim, "Sie werden verändert zurückkommen!" immer mehr Sinn.
    Aber das Positive ist: Du verfügst jetzt schon über Erfahrungen (auch ganz persönliche), die keiner von uns Daheimbleibern vorweisen kann.

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